Frida Gold stellt in ihrem Lied viele Fragen, die die Menschen heutzutage quälen. Wovon sollen wir träumen? Woran können wir glauben? Wieso zerbrechen unsere Beziehungen? Wir befinden uns in einer Zeit, in der nichts mehr sicher zu sein scheint. Wieso ist das so? Um dies zu begreifen begibt sich der heutige Beitrag auf eine eher soziologische/historische Ebene.
Es sollte niemanden verwundern, dass heutige Beziehungen anders sind als Beziehungen in früheren Zeiten. Die Gesellschaft hat sich bis zur modernen Zeit mehrmals grundlegend verändert.
Noch zu Beginn des 18.Jahrhunderst war die Familie eine Produktionsfamilie. Man lebte zusammen, um zu überleben. Die entscheidenden Krtierien waren Arbeitskraft und Besitz von Land. Es heirateten keine Einzelpersonen, sondern viel mehr Familien. Kinder wurden gezeugt, um mehr Arbeitskräfte zu besitzen. Liebe wäre zu dieser Zeit eher schändlich als hilfreich gewesen. Streit, das Zerbrechen einer Beziehung hätte schnell zum Tode führen können, also blieb man zusammen.
(Anmerkung: Natürlich ist die Religion auch wichtig, aber der Drang zu Überleben ist eindeutig der wichtigste Grund.)
Mit dem Aufblühen der Industrie, der industriellen Revolutlion, änderte sich die Beziehung zum ersten Mal grundlegend. Die Produktionsfamilie wurde überflüssig, allen voran die produzierende Frau. Die sogenannte Kleinfamilie entstand. Nun spielte Liebe eine Rolle. Es heirateten nicht mehr Familien sondern Personen. In dieser noch sehr religiösen Zeit heiratete man, um seine seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Frau war für den Haushalt zuständig, der zur damaligen Zeit noch eine tatsächliche Vollzeitarbeit war, der Mann ging arbeiten. So entstand das Klischee der "guten Hausfrau". Beziehungen beruhten auf einem Abhängigkeitsverhältnis: Die Frau brauchte den Mann, um zu überleben, der Mann brauchte die Frau für den Haushalt. Durch dieses Abhängigkeitsverhältnis waren Scheidungen die Ausnahme.
Mit voranschreitender Modernisierung änderten sich Beziehungen ein weiteres Mal. Durch das Erfinden immer weiterer Haushaltsmaschinen wurde die Hausarbeit zunehmend leichter. Dies führte zu einer Abwertung der häuslichen Arbeit der Frau. Im Zuge der Emanzipation entwickelte sich die Frau von der Hausfrau zu einer dem Mann gleichwertigen Arbeitskraft. Die Wirtschaft forderte das Individuum. Gebundene Menschen, gerade Hausfrauen, waren nicht länger erwünscht. In der heutigen sogenannten postmodernen Familie ist das traditionelle Abhängigkeitsverhältnis aufgelöst. Dies führt neben der "problemlosen" Befriedigung sexueller Bedürfnisse zu einer gewissen "Unnötigkeit" von Beziehungen.
Ehen sind heute primär nur noch für Kinder nötig, d.h. man heiratet, wenn man Kinder möchte. Kinder führen aber dennoch nicht zum Erhalt der Beziehung. Der heutige individuelle Mensch sucht nach dem perfekten Partner, der ewigen Bindung. Man könnte sagen: Der Druck der Wirtschaft sich nicht zu binden führt dazu, dass man noch viel mehr nach Bindung sucht. Da es aber weder zum Überleben, noch für die Sexualität nötig ist eine Beziehung zu führen und zudem Bindung in der ökonomisierten Welt als schändlich betrachtet wird, ist nur noch eine "perfekte" Bindung erstrebenswert. Stellt man fest, dass der Partner den eigenen Idealen nicht entspricht, so wird er als Belastung wahrgenommen, was oft zur Trennung führt.
Auch die Rolle der Kinder hat sich geändert. Waren sie früher noch für die Produktion wichtig, so dienen sie heute dem Bedürfnis des Menschen etwas zu hinterlassen. Man verspricht sich im Kind die Lebenserfüllung. Es wäre nun annehmbar, dass die Anzahl der Kinder deshalb steigen müsste. Dies trifft jedoch nicht zu, da die lebenserfüllende Funktion von Kindern meist schon mit einem oder 2 Kinder abgeschlossen ist.
Letztendlich hat sich die Gesellschaft zu einer "Flexibilitätsgesellschaft" verändert. Der ökonomisierte Mensch muss sich anpassen, um weiter zu kommen, Bindungen, Sicherheiten sind gesellschaftlich nicht erwünscht. Diese Unerwünschtheit von Bindung und ihre gleichzeitige Idealisierung führt wohl letztendlich zu unserer Sinnsuche.
Quintessenz:
Da weder Sexualität, noch der Drang zu Überleben uns zu Beziehungen zwingt bliebt nur die Liebe. Da Bindungen aber in der heutigen Zeit unpraktisch sind, sind nur noch perfekte Beziehungen erstrebenswert. Hält eine Beziehung diesem Ideal der Perfektion nicht stand, so wird die Bindung als belastend empfunden und die Beziehung beendet.
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
Franz Kafka
"Willst Du Dein Land verändern,
verändere Deine Stadt.
Willst Du Deine Stadt verändern,
verändere Deine Straße.
Willst Du Deine Straße verändern,
verändere Dein Haus.
Willst Du Dein Haus verändern,
verändere Dich selbst."
Arabisches Sprichtwort