Dienstag, 15. November 2016

Kahneman und der Homo oeconomicus - Der Irrtum der Entscheidungsforschung

Ein für mich seit längerem recht interessantes Thema sind sogenannte Heuristiken. Heuristiken werden meist im Rahmen der Entscheidungsforschung diskutiert. Aus diesem Interesse besuche ich gegenwärtig ein Seminar zu Fehlentscheidungen und stehe nach zwei Blöcken vor einem ähnlichen Gefühl wie beim Lesen von Kahnemans Schnelles Denken, Langsames Denken.

Kahneman und ich vermute auch mein Dozent sehen den Menschen hierbei als irrationales Wesen an. Kahneman erkannte richtigerweise, dass der Mensch sich in der realen Welt nicht gemäß des rationalen homo oeconomicus verhält. Er begründete als Folge mehr oder weniger das human decicsion making, das sich mit diesen Besonderheiten des menschlichen Entscheidens auseinandersetzt. Es werden Mechanismen erforscht, die den Menschen zu irrationalen Fehlentscheidungen verleiten. Diese werden als Heuristiken bezeichnet.

Das Erforschen von Mechanismen der menschlichen Entscheidungen ist an und für sich vollkommen legitim. Das Leitbild Kahnemans und meines Dozenten jedoch nicht. Es wird richtig erkannt, dass der Mensch sich nicht gemäß des homo oeconomicus verhält, es wird richtig geschlossen, dass dieses den Menschen schlecht erklären kann. Logische Folge wäre an dieser Stelle sich vom Menschenbild des homo oeconomicus zu verabschieden. Das geschieht aber nicht. Letztlich dreht sich die gesamte Forschung um die Frage, wie man aus dem normalen Menschen einen homo oecnomicus machen kann. Das falsche Menschenbild wird nicht verworfen, sondern bleibt weiterhin präsent. Der Mensch wird nach den Kritieren eines homo oecomicus beurteilt.

Wo liegt hierbei nun das Problem? Insgesamt sehe ich zwei wichtige Probleme. Das erste Problem liegt in der falschen Beschreibung des Menschen. Trifft ein Menschenbild nicht zu, so muss es verworfen werden und ein neues muss entworfen werden. Die Aufgabe des Psychologie ist es den Menschen zu erforschen WIE ER IST und nicht wie man einen Menschen dazu bewegen kann sich gemäß irgendeiner philosophischen Ansicht zu verhalten. Durch die Fixierung auf den homo oeconomicus entzieht man sich den wichtigen Erkenntnissen, wie ein Mensch in der realen ist und was das das zu bedeuten hat. Hier sind auch mehr oder weniger beim zweiten Problem: Der homo oecnomicus ist omnipräsent in der Gesellschaft. Das wirtschaftswissenschafltiche Menschenbild prägt unseren Alltag und richtet das gesellschaftlichen Handeln auf seine Normen aus. Diese sind jedoch nicht zwingend richtig. Rationale Entscheidungen mögen in bestimmten Lebensbereichen, z.B. der Politik wichtig sein, diese aber in alle Gesellschaftsebenen zu übertragen ist mehr als falsch und wird dem Menschen nicht gerechet. Die Entscheidungsforschung nach Kahneman bestärkt die Stellung des homo oecnomicus. Rationalität, Gewinnmaximierung, etc. sind aber nicht die einzigen Kritieren, die in einer Gesellschaft von Bedeutung sind. Genau deshalb ist es immens wichtig das Menschenbild des homo oecnomicus aus der Entscheidungsforschung zu streichen. Erkenntnisse über die reale Natur des Menschen, die nicht von vorn herein bewertet sind - und das sind sie im Lichte des homo oecnomicus - führen zu einem adäquateren Bild des Menschen und damit auch langfrsitig zu einer humaneren Gesellschaftsform.

Als Psychologe und allgemein als Wissenschaftler muss es unser Ziel sein möglichst wertefrei unsere Erkenntnisse zu generien, um die Welt besser und passender zu beschreiben und zu behandeln. Ein offensichtlich falsches Menschenbild darf nicht aufrecht erhalten werden, nur weil es vorherrschend ist. Ich kann es nur noch einmal sagen: Wir müssen die Welt und den Menschen betrachten wie er ist und nicht wie wir ihn oder sie gerne hätten.