Dienstag, 30. Juli 2019

Warum fehlende Härte nicht unser Problem ist

Viel zu häufig wird heutzutage "Härte" gefordert. Etwas passiert und die volle "Härte" des Staates wird gefordert. Man muss "hart durchgreifen". Man muss "die volle Härte der Gesetze" durchsetzen. Diese und ähnliche Forderungen sind kompletter Nonsense.

Härtere Sanktionen und härteres Durchgreifen führen in der Regel nicht zum Ziel, sondern arbeiten gegen das eigene Ziel an. Unser Justizsystem ist zurecht auf die Rehabilitation der Straftäter ausgerichtet. Das Ziel ist das Wiedererlangens der bürgerlichen Freiheit und Teilhabe an der Gesellschaft. Ein "harter Staat" weckt Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen und führt zu einer geringeren Bindung an soziale Regeln. Die Folge ist die Ausnutzung von Grauzonen, das Verstecken eigener Schwächen, Lug, Betrug und bewusste Missachtung von Regeln und Gesetzen.

Der Staat muss seinen Bürgern Vertrauen schenken. Und wir müssen anderen Bürgern Vertrauen schenken. Die Chance morgen ein besserer Mensch zu sein. Wer selbst ein humanistisches Ideal gegenüber anderen Menschen vertritt, der erzeugt in ihnen auch die Lust diesem selbst zu folgen, da es sich lohnt. Die wichtige Message muss sein: Vertrauen in die Regeln, Vertrauen in die Mitmenschen - das lohnt sich, denn am Ende leben wir alle damit besser.

Die Dynamik menschlicher Interaktionen und menschlichem Zusammenlebens ergibt sich aus selbsterfüllenden Prophezeihungen. Ein einfaches Beispiel ist die sogenannte "Theorie X" und "Theorie Y":
  • Ein Arbeitgeber, der nach "Theorie X" arbeitet geht davon aus, dass Mitarbeiter faul und arbeitsscheu sind und deshalb stark kontrolliert werden müssen. Hieraus ergeben sich starre Vorschriften und Kontrollen. Beim Mitarbeiter erzeugt dies ein passives Arbeitsverhalten: Wird er vom Arbeitgeber kontrolliert und beobachtet führt er ziemlich genau das aus, was der Arbeitgeber von ihm verlangt, nicht mehr und nicht weniger, da hierdurch Sanktionen drohen. Es folgt eine geringe Eigeninitative, da diese sich nicht lohnt. Steht man nicht unter Beobachtung wird sich von der strengen Beobachtung erholt und dadurch das Arbeitsvolumen gesenkt. Aus dem passivem Arbeitsverhalten heraus wird der Arbeitgeber in seiner "Theorie X" bestätigt.
  • Ein Arbeitgeber der "Thoerie Y" hingegen geht davon aus, dass seine Mitarbeiter grundsätzlich motiviert sind und sich gerne für ihre Arbeit anstrengen. Hieraus ergeben sich für den Mitarbeiter verschiedene Freiräume und Freiheiten. Der Mitarbeiter erledigt seine Arbeit so, wie er es am besten kann. Durch seine Freiräume und geringe Angst vor Sanktionen bei kleineren Abweichungen von der Vorgabe, übernimmt er auch Aufgaben außerhalb seines eigentlichen Arbeitsbereichs. Ein solcher Mitarbeiter wirkt motiviert und zeigt Eigeninitiave. Der Arbeitgeber wird in seiner "Theorie Y" bestätigt.
Die Beispiele sollen erläutern, dass durch das eigene und staatliche Verhalten Bedinungen geschaffen werden unter denen ein bestimmtes Spektrum an Verhaltensweisen möglich oder nicht möglich ist. "Weiche Sanktionen" halten am Vertrauen fest und führen dazu, dass ein Mensch ein Spektrum an Verhaltensweisen ausprobieren kann und so erfahren kann, mit welchem Mitteln er am besten im Zusammenklang mit anderen Menschen leben kann. Eine humanistische Lebenswelt, die Vertrauen und prosoziales Verhalten belohnt führt damit dazu, dass Menschen sich im wesentlichen an dem Ideal orientieren. Prosoziales Verhalten, das nicht unmittelbar zur Bedürfnisbefriedung führt, lohnt sich, da davon auszugehen ist, das zumindest mittelfristig die erhoffte Belohnung wiederholt erfolgen kann. "Harte Sanktionen" führen hingegen zu Misstrauen und eingeschränkten Spielräumen, die dazu führen, dass neue Verhaltensweisen weniger ausprobiert werden können. In einer stark sanktionierenden Umgebung werden Verhaltensweisen belohnt, die unmittelbare Befiedigung von Bedürfnissen ermöglichen, da damit zu rechnen ist, dass bald wieder eine Sanktion erfolgt und man den Zeitraum bis zur Sanktion auskosten muss.


Mittwoch, 6. März 2019

Die Psyche als binäres Systems feuerender oder nicht feuerender Neuronen am Beispiel der Sprache

Das Ziel meiner Forschungsarbeit besteht darin zu prüfen, inwieweit in kurzer Zeit ein Sprachniveau erreicht werden kann, das letztlich zur Gesprächstherapie ausreicht. Doch wann reicht ein Sprachniveau aus? Was macht Sprachniveau überhaupt aus? Nach welchen Kriterien lässt sich Sprachniveau bemessen und wie lassen sich diese formalisieren? Die Frage nach der Erreichung eines adäquaten Sprachniveaus zieht wesentlich grundlegendere Fragen nach sich, die für eine möglichst adäquate Beantwortung der Ursprungsfrage geklärt werden müssen.

Als allgemeinpsychologisch orientierter Psychologe muss für mich diese Frage sogar sehr grundlegend beantwortet werden. Daher komme ich nicht daran vorbei mich grundsätzliche Fragen der Beschaffenheit der Psyche zu stellen. Was ist eigentlich die Psyche? Die Psy-Theorie von Dietrich Dörner versucht sich dieser Frage anzunäheren indem Dörner versucht eine Psyche nachzubauen. Nun denn:

Woraus besteht eigentlich unser Gehirn? Aus sogenannten Neuronen. Neuronen sind grundsätzlich einmal eine recht langweilie Sache, denn sie können unterm Strich nicht mehr als zu-Feuern oder eben Nicht-zu-Feuern (verschiedene Komplexitäten dahinter seien hier mal dahin gestellt). Sie stellen damit ein binäres System dar mit folgenden möglichen Ausprägungen: 1 - Feuern oder 0 - Nicht-Feuern. Diese langweiligen beiden Zustände können jedoch in der Kombination vieler Neuronen beachtliches vollbringen. Wer das jetzt nicht glaubt, muss nur an Computer denken und was diese alles tolles darstellen können. Alles was du hier siehst, alles was dein Computer macht geht auch auf ein binäres 1 - 0 System zurück: Bestimmte Teilchen im Prozessor sind an, oder aus. Sie feuern, oder feuern nicht. Aus diesem 1 - 0 System lässt sich im Prinzip alles darstellen, da die logischen Operatoren UND, ODER und NICHT darstellbar sind. Hierfür muss man schlicht und ergreifend mehrere Neuronen miteinander verbinden und diese sich gegenseitig aktivieren bzw. deaktivieren lassen:

- Ein UND-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn mehreren mit ihm verbundenen Neuronen GLEICHZEITIG Signale eingehen, d.h. die verbundenen Neuronen feuern alle gleichzeitig auf das UND-Neuron.
- Ein ODER-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn mindestens eines von mehreren verbundenen Neuronen auf es schießt.
- Ein NICHT-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn ein oder mehere mit ihm verbundene Neuronen nicht schießen. Das lässt sich zum Beispiel verwirklichen, in dem die Neuronen, die nicht schießen dürfen nicht direkt mit dem NICHT-Neuron verbunden sind, sondern vermittelt durch ein anderes Neuron, das immer schießt, außer es wird durch ein anderes Neuron deaktiviert.

Nun zurück zur Sprache. Unser Gehirn erkennt Wörter auf Basis des Feuerns- oder Nicht-Feuerns von Neuronen. Das funktioniert wie folgt: Wenn wir Sprechen senden wir Laute aus. Diese Laute werden von unseren Ohren empfangen. Es gibt im Gehirn nun Neuronen, die immer dann Feuern, wenn ein bestimmter Laut empfangen wird. Damit erkennt das Gehirn: "Aha! Dieser Laut ist gerade da." Wenn nun das Neuron aktiviert ist das auf "A" reagiert UND das Neuron das auf "H" reagiert UND noch ein Neuron das auf "A" reagiert, dann können diese das "Aha"-Neuron aktivieren und damit wissen wir das Aha gesagt wurde. Das Gehirn hat abspeichert, dass ein A, ein H und ein A zusammen ein AHA sind. Wird wieder AHA gesagt, wird das erkannt. (Wie das Speichern genau funktioniert ist ein anderes Thema, das tatsächlich gar nicht so schwierig ist! Doch dazu vielleicht ein anderes Mal.) In der Kombination und Verbindung vieler solcher UND, ODER und NICHT Verbindungen lässt sich ein System kreiieren, das Wörter und Grammatik repräsentiert.

Was hat die neurologische Repräsentation nun mit der Frage zu tun wann ein Sprachniveau reicht? Die Frage der Repräsentation bringt uns der Frage näher, was denn überhaupt als Kriterium infrage kommt. Unsere Neuronen können Korrelationen darstellen/repräsentieren. Wenn X UND/ODER/NICHT Y vorhanden sind DANN wird Z auch da sein (oder neurologisch gesehen: wenn X UND/ODER/NICHT Y feuert, dann feuert Z auch). Das heißt letztlich das sich Unterschiede im Sprachniveau darauf zurückführen lassen inwiefern bestimmte Korrelationen und Zusammenhänge mit den vorhanden Repräsentationen(Wörtern & Grammatik) dargestellt werden können, oder eben nicht. Hieraus lässt sich auch ableiten, dass es nicht absolut auf Quantität (also je mehr Wörter desto besser) ankommt, sondern auf das vorhanden sein BESTIMMTER Wörter, BESTIMMTER Grammatik ankommt, eben derartige Wörter und Grammatik, die die Repräsentation und die Darstellung von Zusammenhängen über das bisherige Ausmaß hinaus verbessern.