Donnerstag, 3. Januar 2013

Spuren im Schnee

Schnee fällt, der Boden wird weiß. Es ist ein Phänomen, das jedes Jahr zu beobachten ist. Irgendwann kommt ein Mensch und sucht sich seinen Weg durch das intakte Weiß. Er hinterlässt Spuren, die für jedermann erkennbar sind. Irgendwann später kommt ein weiterer Mensch, er sieht die Spuren und wählt höchstwahrscheinlich den selben Weg, wie sein Vorgänger. So geht es weiter: Die Spuren werden tiefer, Mensch um Mensch ergibt sich ein eindeutiger Weg, der nur von wenigen Ausnahmen nicht gewählt wird.

Nun: Was hat diese banale winterliche Beobachtung aber mit der Psychologie zu tun? Die Antwort lautet: Synapsenwachstum.

Ähnlich dem Phänomen des sich selbst ergebenen, nutzungsabhängigen Weges im Schnee funktioniert auch das Gehirn. Es ist ein Netz aus vielen Verbindungen, neuronalen Verbindungen. Entlang dieser Verbindungen werden elektrische Signale weitergeleitet, sogenannte Aktionspotentiale. An den Enden dieser Verbindungen befinden sich die Synapsen, sie leiten das Aktionspotential von dem einen Neuron zum nächsten. Sie, die Synapsen wachsen nutzungsabhängig.

Was wichtig ist: Größere Synapsen leiten Aktionspotentiale besser weiter, d.h. mit der Zeit legt sich ähnlich dem Weg im Schnee auch im Hirn ein "typischer Weg" der elektrischen Signale an. Erfahrungen, Gedanken, Wahrnehmungen, kurz: Kognitionen gestalten damit die Feinheiten unserers Gehirns.

Die Frage ist nun, wie man sich das zunutze machen kann:
Die Kognitive Verhaltenstherapie nach Aaron T. Beck geht davon aus, dass jeder Mensch sogenannte kognitive Grundannahmen hat, welche das grundlegende Denkmuster bestimmen. Diese Grundannahmen äußern sich in automatischen Gedanken, die, wie der Name schon sagt, automatisch gedacht werden, wenn man sich in einer bestimmten Situation befindet. Sie beeinflussen nun, wie wir die Situation bewerten, uns verhalten, in welche Stimmungslage wir verfallen, etc.

Ein Beispiel hierfür:
Ein Junge sieht 2 Mädchen in der Nähe, die lachen. Ihm schießen Gedanken wie "Die lachen über mich." in den Kopf. Der Junge erkennt gar nicht, dass die Mädchen eventuell nur über ein lustiges Thema lachen, oder allgemein, dass ihr lachen nichts mit ihm zu tun hat. Seine Gedanken haben ihm die Situation negativ erscheinen lassen und er befindet sich nun in einer schlechter Stimmung.

Weiter nimmt man nun an, dass man die kognitiven Grundannahmen verändern kann. Der Weg dorthin führt über das Aufdecken der automatischen Gedanken, ihrer Hinterfragung und letztendlich der Einübung neuer, eigener Gedanken.

Die Kognitive Verhaltenstherapie lässt sich gut mit den nutzungsabhänigen neuronalen Wegen im Hirn verbinden. Die kognitiven Grundannahmen wären dann quasi die großen Synapsen, über welche die elektrischen Signale bevorzugt laufen. Durch das Einüben eigener, neuer Gedanken schafft man neue neuronale Wege im Gehirn bzw. vergrößert die Synapsen alternativer Wege. Mit der Zeit wird dann der alternative Weg öfter von den elektrischen Signalen "gewählt", bis zu dem Punkt, an dem der alternative Weg zum neuen "normalen" Weg wird. Ähnlich den anderen Wegen im Schnee, die immer öfter gewählt werden, wenn auch sie tiefer sind.

Quintessenz:
Durch aktives Andersdenken verändert man mit der Zeit auch sein Gehirn. Irgendwann wird man dann wie automatisch anders Denken. Man kann also selbst dafür sorgen, dass man in einer anderen Weise, sei es nun positiver, komplexer, oder selbstbewusster, denkt.

"Kein Ding ist gut oder schlecht, erst das Denken macht es dazu."
William Shakespeare

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