Sonntag, 21. September 2014

Wenn das Lernen ins Ad Absurdum führt, dann studiert man.

Nach 4 Semestern im Psychologie Bachelor ist es Zeit seinen Frust auszudrücken. Vermutlich kennt jeder Student das Gefühl der Überflüssigkeit, wenn er auf eine Klausur lernt. Ob es jedoch in allen Studiengängen so absurd ist, wie in Psychologie wage ich doch noch zu bezweifeln.

Schon im über 100 Jahre alten Buch "Psychologie der Massen" gibt es ein ganzes Kapitel über die Dämlichkeit unserers Bildungssystems - es könnte aktueller nicht sein. Die Art und Weise wie gelernt werden muss, um eben die Prüfungen zu bestehen, widerspricht jeglicher lernpsychologischer Erkenntnis. Dumpfes Auswendiglernen von Stoff, an den man sich 2 Monate später kaum noch erinnern kann.

Ganz allgemein tut sich ein Mensch schwer Fakten zu behalten. Prinzipien, Gesetzesmäßigkeiten kann sich ein Mensch gut merken. Im Leben ist es auch letztendlich scheißegal, ob man nun die Kennzahlen für die Berechnung der Hebelwirkung kennt, das Prinzip dahinter, das versteht man und behält man.

Biopsychologisch betrachtet kreist die Information in einem kleinen Abschnitt des Gehirns bis es zu strukturellen Veränderungen und damit dem Behalten des Stoffs kommt. Dieses Kreisen wird auch als Konsolidierungsphase bezeichnet. Letztendlich ist es nötig, dass dieses Kreisen möglichst nicht gestört wird, wenn die Information ordnungsgemäß abgespeichert werden soll.
Beim Lernen von 5 oder mehr DIN A Seiten an einem Tag erscheint es hier schon logisch, dass diese Konsolidierungsphasen ständig gestört werden. Behalten fällt hier wirklich schwer.

Ein weiteres Beispiel sind Gedächtnishemmungen: Den Stoff den man zuerst lernt, hemmt das lernen des Stoffs den man später lernt. Der Stoff den man später lernt, den Stoff den man früher lernt. Proaktive und Retroaktive Hemmung nennt man diesen Spaß.

Das sind nur wenige Beispiele bei denen man sich beim Lernen denkt: "Jo. Ich lern gerade, dass was ich tue scheiße ist, muss es aber trotzdem tun."

An dieser Stelle muss ich meine Zuneigung zu Multiple Choice Prüfungen ausdrücken: Sie sind zwar auch keine überragende Weise Stoff abzufragen, aber immerhin reicht hierbei reines Wiedererkennen vom Stoff, sodass man wesentlich weniger Stunden damit verschwendet Stoff wortwörtlich auswendig zu lernen, den man sich sowieso nicht langfristig merken kann.

Bei offenen Fragen kann es durchaus vorkommen, dass diese recht angenehm zu beantworten sind, aber es gibt eben auch jene Dozenten, die wortwörtlich das Lesen wollen, was sie in ihrem Skript geschrieben haben. Dankesehr hierfür, wer liebt es schon nicht 50 oder mehr Seiten auswendig zu lernen?

Das bisher absurdeste in den 4 Semestern Psychologie waren und sind bisher die Diagnostikprüfungen. Diagnostik, d.h. das Feststellen aktuell gegebener Tatsachen. In der Psychologie geht es hier zumeist um das Durchführen, Auswerten und Interpretieren von Tests. Kurz gesagt, weiß man nach der Beschäftigung mit dieser Thematik noch um einiges besser was eine beschissene Klausur ausmacht.

Ein guter Test erfüllt eine Menge von Gütekriterien, v.a. Objektivität, Reliabilität und Validität.
Objektivität, d.h. dass das Ergebnis eines Tests nicht von der Person abhängt, die sie durchführt. Dass es also egal ist, ob Herr Apfel oder Frau Birne die Klausur macht, das Ergebnis bleibt gleich.
Reliabilität, die sogenannte Zuverlässigkeit, meint dass ein Test richtig misst. Ein Thermometer, dass bei 20 Grad einmal 24 Grad und einmal 18 Grad anzeigt ist also nicht reliabel.
Validität, die Gültigkeit, meint dass ein Test auch wirklich das misst, was er messen möchte. Versucht man also mit einem Thermometer den Luftdruck zu messen, dann ist kein valides Ergebnis.

Weshalb ich jetzt diese langweiligen Fakten aufzähle hat einen einfachen Grund: Die Diagnostikprüfungen, die genau solche langweiligen Fakten abfragen zeigen erhebliche Mängel in diesen Gütekritieren. Man würde meinen, dass gerade der Diagnostikprofessor Wert darauf legt, dass seine Klausuren den Testkritieren genügen, aber das ist nicht der Fall. Man sitzt in dieser Prüfung, kann den Großteil der Fragen ohne Probleme beantworten und fällt durch. Ein anderes Mal verlässt man die Prüfung, war sich bei der Hälfte der Antworten unsicher und besteht. Keinerlei spürbarer Zusammenhang zwischen Lernaufwand und Ergebnis. Keine Augenscheinvalidität.

Letztendlich hat man beim Studium der Psychologie noch das Glück, dass man sich mit einer interessanten Thematik befasst. Wenn schon im Studium der Psychologie ein solcher Frust aufkommt, wie muss sich dann ein Jurist fühlen, der Gesetzestexte auswendig lernt?

Sicher, auch der Studiengang der Psychologie unterliegt gerade als Massenstudiengang gewissen schwierigen Rahmenbedingungen, um eine angenehme Lernatmosphäre zu schaffen. Aber ist es zu viel verlangt, zu erwarten, dass eine Klausur sich an ihren eigenen Inhalt hält?

Ich glaube nicht.

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