Nun ist es einige Monate her seitdem ich das Psychologiestudium beendet habe. Es war eine gute und wichtige Zeit und es hat den Grundstein für meine Zukunft gelegt. Wo bin ich nun gelandet? In der forenischen Psychiatrie - als Forscher. Forschung hat mir schon im Studium Spaß bereitet, doch der Drang etwas zu ändern hat mich aus ihr getrieben und dennoch scheint sie eine gute Möglichkeit zu sein, den nötigen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen zu können.
Nun: Was lernt man in seinen ersten Monaten nach dem Studium?
Zunächst lernt man die Schrecken der Unsicherheit kennen, wenn man nicht weiß wo man landet. Wenn man gute Noten hat, gute Kenntnisse und doch über ein viertel Jahr zwischen der Vergangenheit und der Zukunft hängt. Das ist eine Zeit in der es extrem schwer ist Entscheidungen zu treffen und extrem schwer ist eine Ressourcen zu nutzen und nicht verrückt zu werden, oder zumindest sehr traurig. Man weiß nicht wo man landen wird, örtlich wie jobtechnisch, man weiß nicht, ob man seine Freunde behalten wird und man weiß nicht, ob das was im Studium gemacht hat eine gute Idee war. Hat man vielleicht seine Zeit verschwendet? Hätte man mehr Praktika machen müssen? Hätte man sich mehr nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richten müssen? Wird man nun als Versagerpersönlichkeit enden, die erstmal ein Jahr rumgurkt, bis sie sich doch durchrafft 20.000 Euro für die ausbeuterische Psychotherapieausbildung zu investieren?
Bei mir hat sich diese Zeit der Unsicherheit über gute 3 Monate gezogen. Das war eine emotionale Zeit mit Bewerbungen, Absagen, gefühlten 10.000 möglicherweise-letzten-Mal-Treffen von Freunden, Vorstelllungsgesprächen, die einem eine kurze Hoffnung schenken, um dann doch wieder von der Realität gerichtet zu werden und zu erkennen: Einen Job nach dem Studium zu finden, der a) an dem Ort ist zu dem man möchte und b) den eigenen Fähigkeiten und Wünschen entspricht & dabei c) noch angemessen bezahlt ist, ist verdammt schwer. Respekt an die Menschen, die alle 3 Kriterien geschafft haben. Ich habe gelernt, dass man mindestens bei einem der Kriterien flexibel sein muss. Bei mir war es der Ort. Es ist ätzend nicht mehr alle seine Freunde sehen zu können und ein neues Sozialleben aufbauen zu müssen, doch letztlich muss es manchmal sein. Irgendwann kam der Tag mit dem Job und dem Vorstellungsgespräch, die gepasst haben und dann der befreiende Anruf einer Zusage. In diesem Moment fiel mir eine riesige Last vom Rücken. Endlich konnte ich wieder über meine Zukunft bestimmen. Endlich konnte ich die missliche Lage wieder lenken und selbstwirksam sein. Für die Menschen, die das hier lesen: Es ist übrings völlig normal, dass man mehrere Monate nach dem ersten Job sucht: Hier eine kurze Übersicht. Dennoch sind das zermürrbende Monate, weil man nicht glaubt zu den normalen zu gehören, man glaubt man wird einer dieser Menschen sein, die länger brauchen - dieses Warten zerstört das eigene Selbstbewusstsein, das man im Studium aufgebaut hat.
Wie fühlt sich dann der erste Job an?
Viele berichten von Inkompetenz. Ich habe es eher als Herausforderung gesehen. Man ist sich nicht sicher, ob das was man gelernt hat jetzt richtig ist. Aber man merkt schnell: Es gibt nicht immer ein richtig und falsch. Es gibt verschiedene Wege und wenn man seinen Weg gut begründen kann, dann kommt das auch an. Schließlich arbeiten dort auch nur Menschen. Klar - mit mehr Berufserfahrung, aber auch diese Wissen nicht immer was richtig ist. Auch diese müssen mit besten Wissen und Gewissen den optimalen Weg zu finden. Und: Das Studium bietet einem eine wirkliche gute Grundlage. Man glaubt es vielleicht nicht, aber wir Psychologen wissen nach dem Studium mehr als wir glauben, oder wir wissen wo wir es finden können. Das Studium ist ein riesiges Nachschlagewerk für Situationen in den man sich unsicher ist. Also schmeißt eure Unterlagen nicht weg. Ihr werdet sie wieder brauchen.
Man wird auch von Woche zu Woche kompetenter und mit ein wenig Glück und Selbstbewusstsein findet man seine eigene Position im System. Ich persönlich arbeite jetzt in der forenisch-psychiatrischen Forschung an einem Migrationsprojekt. Hier merke ich, dass es in der Evaluationsforschung oftmals an Grundlagenforschung fehlt, an fundierter allgemeinpsychologischer Ausrichtung. Hier setze ich nun an und schauen wir mal wo mich das hin führt.
Weiterhin, und liebe Pias ihr werdet mir das jetzt hoffentich entschuldigen, bin ich froh dass ich mir selbst genug Wert war nicht Pia zu werden. Pia zu werden ist scheiße: Du wirst ausgenutzt und scheiße bezahlt. Du machst viel Arbeit, die du nicht machen dürftest und es wird dir nicht anerkennt. Und viele meiner Kollegen bei den Pias lassen es mit sich machen: Denn man möchte ja Psychotherapeut werden. Meine Empfehlung an alle künftigen und aktuellen Pias: Lasst es sein. Investiert eure 120 Euro und werdet Heilpraktiker für Psychotherapie. Damit könnt ihr zwar keine Kassenpatienten arbeiten, aber nur so lernen es die Politik. Ihr braucht diese Ausbildung nicht, um kompetent zu werden. Ihr könnt auch in einer Klinik als richtiger Psychologe arbeiten und rumprobieren und eure Kenntnisse aus den Manualen holen. Und Supervision könnt ihr auch machen ohne Pia zu sein. Ich will hier niemand beleidgen. Ich will nur sagen: Seid euch selbst genug wert. Und wenn ihr es doch macht, dann demonstriert, demonstriert, demonstriert. Macht nicht mehr als ihr solltet, lasst euch alles aufschreiben und verklagt eure Klinik wenn ihr fertig seid (denn wenn ihr als Psychotherapeut arbeitet, steht euch auch der Lohn zu - und das passiert sobald ihr euren Praktikantenstatus überschreitet, was offenbar permanent passiert.)
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