Freitag, 25. Dezember 2020

Hierarchische übereinander geordnete System - die fortschreitende Entwicklung meiner Vorstellung des Geistes

Im Rahmen meiner Dissertation habe ich mir viel Gedanken über das Sprachsystem gemacht. Diese Überlegungen wirken letztlich auch zurück auf mich selbst und meine Vorstellungen über die Psyche. Nach dem sogenannten gebrauchsbasierten Ansatz wird Sprache in der Nutzung erworben: Der Mensch macht forwährend innerhalb einer Vielzahl von Kontexten sprachliche Erfahrungen. Hierbei zeigen sich wiederkehrende verbale Muster in bestimmten Kontexten. Durch das zunehmende Wissen um den Kontext bestimmter verbaler Codes erschließt sich mit der Zeit auch die Funktion von Wörtern und von grammtikalischen Konstruktionen. Dies wird hierbei als Emergenz bezeichnet. 

Einfach gesprochen: Wenn ich zum 100. Mal das Wort "Ball" höre und dabei in der Regel ein rundlicher Gegenstand sichtbar war, ist es naheliegend aus dem Kontext zu schließen, dass das Wort Ball diesen rundlichen Gegenstand bezeichnet. Wenn ich zum 100. Mal die grammtikalische Konstruktion "Gestern habe ich x gemacht" für eine Geschichte höre, von der ich weiß, dass sie in der Vergangenheit geschehen ist, dann ist es naheliegend davon auszugehen, dass "habe gemacht" mit Vergangenheit zu tun hat. Durch den Abgleich meiner verbalen Erfahrungen, durch immer mehr Beispiele von Situationen in denen Wörter und Konstruktionen von anderen genutzt wurden oder nicht genutzt werden, kann ich Schritt für Schritt eine Sprache erfassen. Durch die Nutzung von Sprache in echten Situationen lerne ich zunehmend diese Sprache.

Moderne Sprachsoftware funktioniert vergleichbar: Durch das Einlesen großer Mengen an verbalem Material, kann mit der Zeit ein Algorithmus die "Funktion" eines Wortes lernen bzw. festellen welches Wort gerade eher passend ist und welches eher nicht. Die mathematischen Details findet sich im "Deep-Learning-Ansatz".

Faszinierend finde ich hierbei auch die Vorstellung des sogenannten extended mind. Traditionell werden mit dem Begriff Kognition in der Psychologie Gedanken und die hinter den Gedanken stehenden informationsverarbeitenden Prozesse bezeichnet. Eine Kognition ist hierbei an einen Menschen gebunden & kann nicht außerhalb von ihm sein. Bei der Vorstellung des extendend mind wird dem wiedersprochen. Das Lernen einer Sprache ist hierbei ein gutes Beispiel. Das durch und durch kognitive Sprachsystem existiert nicht nur innerhalb eines Individuums, sondern insbesondere zwischen verschiedenen Sprechern. Sprachsysteme ergeben sich durch die Kommunikationserfordernisse zwischen Sprechern. Die Kognitionen befinden sich damit auch außerhalb des eigenen Körpers. 

Klarer wird das ganze wenn man Kultur betrachtet. Kultur sind geteilte geistige Vorstellungen. Wenn ich zusammen mit anderen Menschen das Oktoberfest erlebe, drücken wir uns über dieses Fest verbal aus. Die kulturelle Funktion von Dingen - und damit ihre Bedeutung - emergiert wie auch verbale Bedeutung durch wiederkehrende Muster in bestimmten Kontexten. Wir erfinden hierfür die passende Wörter. Die Sprecher einer Sprache verstehen die Kultur durch die Wörter, die mit ihren kulturellen Kontexten verbunden sind. 

Unser eigenes individuelles Sprachsystem ist eingebettet in ein übergeordneten, von den Sprechern eines Kulturraum geteilten Sprachsystems. Das geteilte Sprachsystem beeinflusst uns eigenen Sprachsystem (weil wir sonst nicht mit anderen kommunizieren könnten). Unser eigenes Sprachsystem beeinflusst aber auch das geteilte Sprachsystem - denn durch neue oder veränderte Kommunikationserfordernisse zwischen einzelnen Sprechern müssen Wörter neu erfunden oder neu gedeutet werden. Wenn für genügend Sprecher mit "Telefon" nicht mehr ein kabelgebundenes Gerät im eigenen Haus gemeint ist, sondern das Smartphone in der eigenen Hosentasche, dann geht diese Veränderung auch ins übergeordnete System über.

Weiter gesponnen kann eine solche Hierarchie von Systemen auch außerhalb von Sprachsytemen beobachtet werden. Ein Lebewesen ist ein System, das aus kleineren Systemen - Organen - besteht, die wiederum aus kleineren Systemen - Zellen - besteht, usw.. Gleichzeitig ist ein Lebewesen in ein größeres System - eine Gesellschaft oder die Natur - eingebettet. Der Geist ist ein System, das aus vielen kleineren geistigen Systemen besteht, die wiederum aus kleineren geistigen Systemen bestehen. Gleichzeitig muss der Geist sich an die externe Umwelt - also die äußeren Systeme - anpassen und ist damit gewisserweise wiederum ein Subsystem größerer Systeme, die alle miteinander interagieren.

Dienstag, 30. Juli 2019

Warum fehlende Härte nicht unser Problem ist

Viel zu häufig wird heutzutage "Härte" gefordert. Etwas passiert und die volle "Härte" des Staates wird gefordert. Man muss "hart durchgreifen". Man muss "die volle Härte der Gesetze" durchsetzen. Diese und ähnliche Forderungen sind kompletter Nonsense.

Härtere Sanktionen und härteres Durchgreifen führen in der Regel nicht zum Ziel, sondern arbeiten gegen das eigene Ziel an. Unser Justizsystem ist zurecht auf die Rehabilitation der Straftäter ausgerichtet. Das Ziel ist das Wiedererlangens der bürgerlichen Freiheit und Teilhabe an der Gesellschaft. Ein "harter Staat" weckt Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen und führt zu einer geringeren Bindung an soziale Regeln. Die Folge ist die Ausnutzung von Grauzonen, das Verstecken eigener Schwächen, Lug, Betrug und bewusste Missachtung von Regeln und Gesetzen.

Der Staat muss seinen Bürgern Vertrauen schenken. Und wir müssen anderen Bürgern Vertrauen schenken. Die Chance morgen ein besserer Mensch zu sein. Wer selbst ein humanistisches Ideal gegenüber anderen Menschen vertritt, der erzeugt in ihnen auch die Lust diesem selbst zu folgen, da es sich lohnt. Die wichtige Message muss sein: Vertrauen in die Regeln, Vertrauen in die Mitmenschen - das lohnt sich, denn am Ende leben wir alle damit besser.

Die Dynamik menschlicher Interaktionen und menschlichem Zusammenlebens ergibt sich aus selbsterfüllenden Prophezeihungen. Ein einfaches Beispiel ist die sogenannte "Theorie X" und "Theorie Y":
  • Ein Arbeitgeber, der nach "Theorie X" arbeitet geht davon aus, dass Mitarbeiter faul und arbeitsscheu sind und deshalb stark kontrolliert werden müssen. Hieraus ergeben sich starre Vorschriften und Kontrollen. Beim Mitarbeiter erzeugt dies ein passives Arbeitsverhalten: Wird er vom Arbeitgeber kontrolliert und beobachtet führt er ziemlich genau das aus, was der Arbeitgeber von ihm verlangt, nicht mehr und nicht weniger, da hierdurch Sanktionen drohen. Es folgt eine geringe Eigeninitative, da diese sich nicht lohnt. Steht man nicht unter Beobachtung wird sich von der strengen Beobachtung erholt und dadurch das Arbeitsvolumen gesenkt. Aus dem passivem Arbeitsverhalten heraus wird der Arbeitgeber in seiner "Theorie X" bestätigt.
  • Ein Arbeitgeber der "Thoerie Y" hingegen geht davon aus, dass seine Mitarbeiter grundsätzlich motiviert sind und sich gerne für ihre Arbeit anstrengen. Hieraus ergeben sich für den Mitarbeiter verschiedene Freiräume und Freiheiten. Der Mitarbeiter erledigt seine Arbeit so, wie er es am besten kann. Durch seine Freiräume und geringe Angst vor Sanktionen bei kleineren Abweichungen von der Vorgabe, übernimmt er auch Aufgaben außerhalb seines eigentlichen Arbeitsbereichs. Ein solcher Mitarbeiter wirkt motiviert und zeigt Eigeninitiave. Der Arbeitgeber wird in seiner "Theorie Y" bestätigt.
Die Beispiele sollen erläutern, dass durch das eigene und staatliche Verhalten Bedinungen geschaffen werden unter denen ein bestimmtes Spektrum an Verhaltensweisen möglich oder nicht möglich ist. "Weiche Sanktionen" halten am Vertrauen fest und führen dazu, dass ein Mensch ein Spektrum an Verhaltensweisen ausprobieren kann und so erfahren kann, mit welchem Mitteln er am besten im Zusammenklang mit anderen Menschen leben kann. Eine humanistische Lebenswelt, die Vertrauen und prosoziales Verhalten belohnt führt damit dazu, dass Menschen sich im wesentlichen an dem Ideal orientieren. Prosoziales Verhalten, das nicht unmittelbar zur Bedürfnisbefriedung führt, lohnt sich, da davon auszugehen ist, das zumindest mittelfristig die erhoffte Belohnung wiederholt erfolgen kann. "Harte Sanktionen" führen hingegen zu Misstrauen und eingeschränkten Spielräumen, die dazu führen, dass neue Verhaltensweisen weniger ausprobiert werden können. In einer stark sanktionierenden Umgebung werden Verhaltensweisen belohnt, die unmittelbare Befiedigung von Bedürfnissen ermöglichen, da damit zu rechnen ist, dass bald wieder eine Sanktion erfolgt und man den Zeitraum bis zur Sanktion auskosten muss.


Mittwoch, 6. März 2019

Die Psyche als binäres Systems feuerender oder nicht feuerender Neuronen am Beispiel der Sprache

Das Ziel meiner Forschungsarbeit besteht darin zu prüfen, inwieweit in kurzer Zeit ein Sprachniveau erreicht werden kann, das letztlich zur Gesprächstherapie ausreicht. Doch wann reicht ein Sprachniveau aus? Was macht Sprachniveau überhaupt aus? Nach welchen Kriterien lässt sich Sprachniveau bemessen und wie lassen sich diese formalisieren? Die Frage nach der Erreichung eines adäquaten Sprachniveaus zieht wesentlich grundlegendere Fragen nach sich, die für eine möglichst adäquate Beantwortung der Ursprungsfrage geklärt werden müssen.

Als allgemeinpsychologisch orientierter Psychologe muss für mich diese Frage sogar sehr grundlegend beantwortet werden. Daher komme ich nicht daran vorbei mich grundsätzliche Fragen der Beschaffenheit der Psyche zu stellen. Was ist eigentlich die Psyche? Die Psy-Theorie von Dietrich Dörner versucht sich dieser Frage anzunäheren indem Dörner versucht eine Psyche nachzubauen. Nun denn:

Woraus besteht eigentlich unser Gehirn? Aus sogenannten Neuronen. Neuronen sind grundsätzlich einmal eine recht langweilie Sache, denn sie können unterm Strich nicht mehr als zu-Feuern oder eben Nicht-zu-Feuern (verschiedene Komplexitäten dahinter seien hier mal dahin gestellt). Sie stellen damit ein binäres System dar mit folgenden möglichen Ausprägungen: 1 - Feuern oder 0 - Nicht-Feuern. Diese langweiligen beiden Zustände können jedoch in der Kombination vieler Neuronen beachtliches vollbringen. Wer das jetzt nicht glaubt, muss nur an Computer denken und was diese alles tolles darstellen können. Alles was du hier siehst, alles was dein Computer macht geht auch auf ein binäres 1 - 0 System zurück: Bestimmte Teilchen im Prozessor sind an, oder aus. Sie feuern, oder feuern nicht. Aus diesem 1 - 0 System lässt sich im Prinzip alles darstellen, da die logischen Operatoren UND, ODER und NICHT darstellbar sind. Hierfür muss man schlicht und ergreifend mehrere Neuronen miteinander verbinden und diese sich gegenseitig aktivieren bzw. deaktivieren lassen:

- Ein UND-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn mehreren mit ihm verbundenen Neuronen GLEICHZEITIG Signale eingehen, d.h. die verbundenen Neuronen feuern alle gleichzeitig auf das UND-Neuron.
- Ein ODER-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn mindestens eines von mehreren verbundenen Neuronen auf es schießt.
- Ein NICHT-Neuron lässt sich dann aktivieren, wenn ein oder mehere mit ihm verbundene Neuronen nicht schießen. Das lässt sich zum Beispiel verwirklichen, in dem die Neuronen, die nicht schießen dürfen nicht direkt mit dem NICHT-Neuron verbunden sind, sondern vermittelt durch ein anderes Neuron, das immer schießt, außer es wird durch ein anderes Neuron deaktiviert.

Nun zurück zur Sprache. Unser Gehirn erkennt Wörter auf Basis des Feuerns- oder Nicht-Feuerns von Neuronen. Das funktioniert wie folgt: Wenn wir Sprechen senden wir Laute aus. Diese Laute werden von unseren Ohren empfangen. Es gibt im Gehirn nun Neuronen, die immer dann Feuern, wenn ein bestimmter Laut empfangen wird. Damit erkennt das Gehirn: "Aha! Dieser Laut ist gerade da." Wenn nun das Neuron aktiviert ist das auf "A" reagiert UND das Neuron das auf "H" reagiert UND noch ein Neuron das auf "A" reagiert, dann können diese das "Aha"-Neuron aktivieren und damit wissen wir das Aha gesagt wurde. Das Gehirn hat abspeichert, dass ein A, ein H und ein A zusammen ein AHA sind. Wird wieder AHA gesagt, wird das erkannt. (Wie das Speichern genau funktioniert ist ein anderes Thema, das tatsächlich gar nicht so schwierig ist! Doch dazu vielleicht ein anderes Mal.) In der Kombination und Verbindung vieler solcher UND, ODER und NICHT Verbindungen lässt sich ein System kreiieren, das Wörter und Grammatik repräsentiert.

Was hat die neurologische Repräsentation nun mit der Frage zu tun wann ein Sprachniveau reicht? Die Frage der Repräsentation bringt uns der Frage näher, was denn überhaupt als Kriterium infrage kommt. Unsere Neuronen können Korrelationen darstellen/repräsentieren. Wenn X UND/ODER/NICHT Y vorhanden sind DANN wird Z auch da sein (oder neurologisch gesehen: wenn X UND/ODER/NICHT Y feuert, dann feuert Z auch). Das heißt letztlich das sich Unterschiede im Sprachniveau darauf zurückführen lassen inwiefern bestimmte Korrelationen und Zusammenhänge mit den vorhanden Repräsentationen(Wörtern & Grammatik) dargestellt werden können, oder eben nicht. Hieraus lässt sich auch ableiten, dass es nicht absolut auf Quantität (also je mehr Wörter desto besser) ankommt, sondern auf das vorhanden sein BESTIMMTER Wörter, BESTIMMTER Grammatik ankommt, eben derartige Wörter und Grammatik, die die Repräsentation und die Darstellung von Zusammenhängen über das bisherige Ausmaß hinaus verbessern.

Samstag, 22. September 2018

Nach dem Studium - Erster Schritte als Psychologe

Nun ist es einige Monate her seitdem ich das Psychologiestudium beendet habe. Es war eine gute und wichtige Zeit und es hat den Grundstein für meine Zukunft gelegt. Wo bin ich nun gelandet? In der forenischen Psychiatrie - als Forscher. Forschung hat mir schon im Studium Spaß bereitet, doch der Drang etwas zu ändern hat mich aus ihr getrieben und dennoch scheint sie eine gute Möglichkeit zu sein, den nötigen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen zu können.

Nun: Was lernt man in seinen ersten Monaten nach dem Studium?
Zunächst lernt man die Schrecken der Unsicherheit kennen, wenn man nicht weiß wo man landet. Wenn man gute Noten hat, gute Kenntnisse und doch über ein viertel Jahr zwischen der Vergangenheit und der Zukunft hängt. Das ist eine Zeit in der es extrem schwer ist Entscheidungen zu treffen und extrem schwer ist eine Ressourcen zu nutzen und nicht verrückt zu werden, oder zumindest sehr traurig. Man weiß nicht wo man landen wird, örtlich wie jobtechnisch, man weiß nicht, ob man seine Freunde behalten wird und man weiß nicht, ob das was im Studium gemacht hat eine gute Idee war. Hat man vielleicht seine Zeit verschwendet? Hätte man mehr Praktika machen müssen? Hätte man sich mehr nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richten müssen? Wird man nun als Versagerpersönlichkeit enden, die erstmal ein Jahr rumgurkt, bis sie sich doch durchrafft 20.000 Euro für die ausbeuterische Psychotherapieausbildung zu investieren?

Bei mir hat sich diese Zeit der Unsicherheit über gute 3 Monate gezogen. Das war eine emotionale Zeit mit Bewerbungen, Absagen, gefühlten 10.000 möglicherweise-letzten-Mal-Treffen von Freunden, Vorstelllungsgesprächen, die einem eine kurze Hoffnung schenken, um dann doch wieder von der Realität gerichtet zu werden und zu erkennen: Einen Job nach dem Studium zu finden, der a) an dem Ort ist zu dem man möchte und b) den eigenen Fähigkeiten und Wünschen entspricht & dabei c) noch angemessen bezahlt ist, ist verdammt schwer. Respekt an die Menschen, die alle 3 Kriterien geschafft haben. Ich habe gelernt, dass man mindestens bei einem der Kriterien flexibel sein muss. Bei mir war es der Ort. Es ist ätzend nicht mehr alle seine Freunde sehen zu können und ein neues Sozialleben aufbauen zu müssen, doch letztlich muss es manchmal sein. Irgendwann kam der Tag mit dem Job und dem Vorstellungsgespräch, die gepasst haben und dann der befreiende Anruf einer Zusage. In diesem Moment fiel mir eine riesige Last vom Rücken. Endlich konnte ich wieder über meine Zukunft bestimmen. Endlich konnte ich die missliche Lage wieder lenken und selbstwirksam sein. Für die Menschen, die das hier lesen: Es ist übrings völlig normal, dass man mehrere Monate nach dem ersten Job sucht: Hier eine kurze Übersicht. Dennoch sind das zermürrbende Monate, weil man nicht glaubt zu den normalen zu gehören, man glaubt man wird einer dieser Menschen sein, die länger brauchen - dieses Warten zerstört das eigene Selbstbewusstsein, das man im Studium aufgebaut hat.

Wie fühlt sich dann der erste Job an?
Viele berichten von Inkompetenz. Ich habe es eher als Herausforderung gesehen. Man ist sich nicht sicher, ob das was man gelernt hat jetzt richtig ist. Aber man merkt schnell: Es gibt nicht immer ein richtig und falsch. Es gibt verschiedene Wege und wenn man seinen Weg gut begründen kann, dann kommt das auch an. Schließlich arbeiten dort auch nur Menschen. Klar - mit mehr Berufserfahrung, aber auch diese Wissen nicht immer was richtig ist. Auch diese müssen mit besten Wissen und Gewissen den optimalen Weg zu finden. Und: Das Studium bietet einem eine wirkliche gute Grundlage. Man glaubt es vielleicht nicht, aber wir Psychologen wissen nach dem Studium mehr als wir glauben, oder wir wissen wo wir es finden können. Das Studium ist ein riesiges Nachschlagewerk für Situationen in den man sich unsicher ist. Also schmeißt eure Unterlagen nicht weg. Ihr werdet sie wieder brauchen.

Man wird auch von Woche zu Woche kompetenter und mit ein wenig Glück und Selbstbewusstsein findet man seine eigene Position im System. Ich persönlich arbeite jetzt in der forenisch-psychiatrischen Forschung an einem Migrationsprojekt. Hier merke ich, dass es in der Evaluationsforschung oftmals an Grundlagenforschung fehlt, an fundierter allgemeinpsychologischer Ausrichtung. Hier setze ich nun an und schauen wir mal wo mich das hin führt.

Weiterhin, und liebe Pias ihr werdet mir das jetzt hoffentich entschuldigen, bin ich froh dass ich mir selbst genug Wert war nicht Pia zu werden. Pia zu werden ist scheiße: Du wirst ausgenutzt und scheiße bezahlt. Du machst viel Arbeit, die du nicht machen dürftest und es wird dir nicht anerkennt. Und viele meiner Kollegen bei den Pias lassen es mit sich machen: Denn man möchte ja Psychotherapeut werden. Meine Empfehlung an alle künftigen und aktuellen Pias: Lasst es sein. Investiert eure 120 Euro und werdet Heilpraktiker für Psychotherapie. Damit könnt ihr zwar keine Kassenpatienten arbeiten, aber nur so lernen es die Politik. Ihr braucht diese Ausbildung nicht, um kompetent zu werden. Ihr könnt auch in einer Klinik als richtiger Psychologe arbeiten und rumprobieren und eure Kenntnisse aus den Manualen holen. Und Supervision könnt ihr auch machen ohne Pia zu sein. Ich will hier niemand beleidgen. Ich will nur sagen: Seid euch selbst genug wert. Und wenn ihr es doch macht, dann demonstriert, demonstriert, demonstriert. Macht nicht mehr als ihr solltet, lasst euch alles aufschreiben und verklagt eure Klinik wenn ihr fertig seid (denn wenn ihr als Psychotherapeut arbeitet, steht euch auch der Lohn zu - und das passiert sobald ihr euren Praktikantenstatus überschreitet, was offenbar permanent passiert.)

Dienstag, 21. August 2018

Post-Hartz 4 - für eine belohnungsorientierte statt sanktionsorientierte Grundsicherung

Hartz 4 - ALG 2. Es wird viel in linken Kreisen über die Höhe der Sätze diskutiert, der wesentliche Makel befindet sich jedoch nicht in der Höhe der Grundsicherung, sondern im Menschenbild das dahinter steckt: Hartz 4 haftet der neoliberale Geist der 00er Jahre an. Es ist ein sanktionsorientiertes System, das den Menschen als arbeitsscheues Wesen betrachtet, der sich um jedwede Bemühung drückt und von oben kontrolliert werden muss.

Im Wesentlichen entspricht dies der Theorie X von McGregor mit den entsprechenden Folgen einer selbsterfüllenden Prophezeihung: Man geht davon aus, dass Hartz 4 von arbeitsscheuen Menschen bezogen wird, die schlicht das soziale System belasten und sich von der Mehrheit finanzierern lassen möchten. Es werden enge Grenzen gesetzt, die belegen, dass diese Theorie stimmt, z.B. das Ablehnen von Jobangeboten. Danach wird sanktioniert, um die Person dazu zu zwingen Jobs anzunehmen, die nicht zu ihnen passen und von denen sie nicht leben können. Dies erzeugt ein Misstrauen und eine Abneigung gegen den Staat und führt zu einer Weigerung den Anforderungen nachzukommen.

Bei Hartz 4 geht es in diesem Sinne darum diejenigen Personen möglichst gering zu halten, die das System missbrauchen, d.h. das Ziel ist Reduzierung von Sozialmissbrauch. Durch die Einschränkung der Möglichkeiten des Menschen wird eine Rückkehr in eine eigenständige Lebensführung erschwert, da schlicht zur Flucht aus der Sanktion Arbeit angenommen werden muss, die in einer kurzen oder mittleren Frist wieder abgelegt wird, da sie unter Bedinungen von schlechter Bezahlung und Fremdzwang zu wenig Bindung an die Arbeitsstelle und Arbeitsmotivation führt.

Eine Alternative stellt eine belohnungsorientiertes System dar: In diesem System erhält man eine Grundsicherung, die nicht gekürzt werden kann. Hierbei schwebt mir in etwa der aktuelle Hartz 4 Regelsatz vor. Bemüht sich eine Person um Arbeit, eine Ausbildung oder Weiterbildung so wird sie in einem solchen System mit einer Erhöhung des Satzes belohnt, z.B. 100 Euro. (Wer einmal mit ein paar Hundert Euro pro Monat über eine längere Zeit auskommen musste, der wird den Wert von 100 Euro pro Monat sicherlich kennen.) Zusätzlich bieten sich weitere "Erleichterungen" an, die erteilt werden könnten. Der Vorteil in diesem System ist, dass man Menschen nicht mehr zwingt, sondern Angebote macht. Wer seiner gesellschaftlichen Pflicht nachkommt wird belohnt, wer nicht dem wird keine Beachtung geschenkt.

In einem solchen System wird vom Staat der arbeitswillige ALG2-Empfänger in seinen Bemühungen unterstützt und gewertschätzt. Das Ziel ist nicht länger die Reduzierung von Sozialmissbrauch, sondern die Förderung von Arbeitstätigkeit, die wohl das eigentliche Ziel des Arbeitsamtes darstellt. Menschen, die ehrlich der Ansicht sind, dass sie von ca. 420 Euro leben wollen, können dies auch tun. Sie erhalten aber auch nicht mehr vom Staat. In diesem Sinne liegt die Entscheidungsgewalt wieder beim Empfänger der Sozialleistung, nicht beim Staat.

Ich persönlich würde eine solche Grundsicherung auch auf andere Bereiche ausweiten, z.B. als Ersatz für das Bafög. In diesem Sinne wäre das neue Bafög der Grundsicherungsbeitrag + Studienzulage (natürlich darf das in der Summe nicht weniger sein als der heutige bereits geringe Bafög-Satz). Jemand der nicht arbeitet erhält also eine Grundsicherung. Jemand der aus einem guten Grund nicht arbeitet, z.B. zur Aus- und Weiterbildung oder zur Pflege der Eltern, etc., der erhält mehr. Hierbei werden die Facetten der Realität mehr anerkannt. Gutes Verhalten verstärkt.

Abschließend sei bemerkt: Ich habe durchaus bewusst den aktuellen Hartz 4 Satz als Grundsicherung gewählt. Dieser gewährleistet gerade in Kombination mit dem Bezahlen einer Wohnung das ÜBERLEBEN einer Person. Ich gehe persönlich davon aus, dass sich die Mehrheit der ALG2-Empfänger sowieso bemüht und damit Zulagen in diesem System erhalten würde. Und das wäre auch richtig so. Die, die tatsächlich nicht arbeiten oder anderes leisten WOLLEN, werden schlicht nicht belohnt, sondern müssen mit dem wenigen, was sie bekommen auskommen.

Samstag, 17. Februar 2018

Pläne für eine neue Sozialdemokratie

Die Welt ist im Wandel und das Parteiensystem verändert sich. Die deutsche SPD und andere sozialdemorkatische Parteien müssen sich anpassen, verändern, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Hier möchte ich ein paar Punkte präsentieren, die für eine künftige Sozialdemokratie wichit sein könnten:

EUROPA
Zuerst genannt, da er unglaublich wichtig ist. Die Globalisierung ist mehr oder weniger vollendet. Heute spielt der Wettbewerb von Firmen innerhalb der Landesgrenze eine weitaus geringere Rolle als früher. Ein isolierter einzelner Staat kann wenig bewegen, da er auf die Entscheidungen anderer Staaten stets reagieren muss. Dies führt zu einer Einschränkung der Handlungsfreiheit des Staates.

Daher braucht es eine Reform der EU, eine Erweiterung der EU in Richtung eines echten Staates. Die EU braucht eine Regierung, die sich für die Interessen der europäischen Bürger in ganz Europa und der Welt einsetzt. Hierfür braucht es eine Ermächtigung der Europaparlaments. Hierzu braucht es ein Initiativrecht des Europaparlements und den Grundsatz: "Europarecht bricht Landesrecht". Das europäische Parlament muss demoraktisch legimentiert werden, sodass es eine legitime Regierung entsenden kann, die sich um die Wirtschaft, soziale Absicherung, Sicherheit und Entwicklung Europas kümmert.

Nur ein starkes, handlungsfähiges Europa kann in der globalisierten Welt unsere Interessen durchsetzen. Nur ein starkes, handlungsfähiges Europa kann Ungerechtigkeit seien sie wirtschaftlich, militärisch oder humanitär beheben.

Die Sozialdemokratien müssen die europhilen Parteien der EU werden. Die Sozialdemokratie muss sich effektiv für europäische Lösungen einsetzen, wo es europäischer Lösungen bedarf. Wir dürfen keine nationalen vor europäischen Interessen stellen.

GROSSKONZERNE
Die Wirtschaft wird in vielen Branchen von wenigen riesigen Konzernen oder Konzerngruppen dominiert. Gerne sitzen diese in Amerika und beziehen sich auf US-Recht und entziehen sich unserer Kontrolle. Weiterhin hinterziehen sie gerne Steuern über Steueroasen und nutzen eine jedes Schlupfloch, das ihren Interessen dient.

Die Sozialdemokratien sollten sich dafür einsetzen, dass diese Firmen einen einen Sitz in der EU haben. Auch müssen Internetfirmen dazu gezwungen werden Server in Europa einzurichten, sodass die Daten der europäischen Bürger in europäischer Hand sind. Globalisierung darf nicht bedeuten sich der staatlichen Kontrolle zu entziehen. Konzerne dürfen nicht die Welt regieren.

Konzerne müssen auch dazu gezwungen werden in dem Staat ihre Steuern zu zahlen, in dem sie ihre Waren loswerden. Alternativ muss eine europäische Steuer eingeführt werden, die auf die europäischen Regionen fair und umsatzgetreu verteilt werden. Steuerdeals mit harsch bestraft und unterbunden werden.

EIGENTUM VERPFLICHTET
Wer besitzt hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Wer dieser Verantwortung nicht gerecht wird, dem muss sie entzogen werden: Konzerne und Banken, die bankrott gehen, weil sie scheiße gewirtschaftet haben dürfen gerettet werden, aber nur wenn ihr Eigentum an den Staat über geht. Wenn eine ganze Branche, eine Großzahl an Menschen am Überleben eines Konzern angewiesen sind, dann müssen sie auch gesellschaftlich kontrolliert werden können.

Wenn eine Firma wie VW mit unlauteren Mitteln Gewinne erzielt und dann wenn es rauskommt im freien Fall ist, dann darf ihre wichtige Position für Deutschland kein Kritierum sein, dass man sie nicht bestraft. Eine solche Firma muss ihre Schulden an die Gesellschaft zurückzahlen und wenn sie das nicht kann wird sie verstaatlicht. Zudem sollten Manager auch privat haften können, wenn sie eine Firma in den Ruin treiben.

Eigentum verpflichtet. Dieser Grundsatz muss viel stärker beachtet werden um die Auswüchsen des Kapitalismus gerecht zu werden.

DIGITALISIERUNG
Die Digitalisierung ist eine gute Sache. Von der Digitialsierung können viele Menschen enorm profitieren, daher ist es wichtig Spielregeln dafür aufzustellen. Es kann nicht sein, dass wenn eine Firma 50 % der Zeit spart, weil sie vermehrt Software nutzt, dies nicht beim Arbeitnehmer ankommt. Wenn man durch Digitalisierung und Einsatz von Robotoren die Gewinne erhöhen kann bei geringeren zeitlichen Aufwand, dann muss dies für die Arbeitnehmer mit kräftigen Lohnzuwäschen und Reduzierungen der Arbeitszeit verbunden sein.

Die Digitalisierung kann uns enorme neue Freiheiten und Verbesserungen der Lebensqualität bringen. Mehr Zeit für die Familie, Freunde und Freizeit. Mehr Zeit sich zu erholen. Die Digitalisierung darf nicht einseitig für Konzerninteressen genutzt werden. Digitalisierung darf nicht mit einer Verschlechterung des Arbeitsbedingungen und einem riesigen Abbau von Arbeitsplätzen verbunden werden.

Und na klar: Alter braut endlich die Internetleitungen aus! Kackegal wie viel es kostet.

SOZIALE ABSICHERUNG
Soziale Absicherung heißt in der modernen Welt sich weiterbilden zu können und müssen. Bildung ist der Schlüssel für unseren Wohlstand. Damit dies gelingt müssen Menschen auch in der Lage sein sich weiterbilden zu können. Hierfür ist vor allem finanzielle Absicherung gefragt.


Ein bedingungsloses Grundeinkommen oder ähnliche Konzepte können hier helfen. Ein Mensch muss seine Arbeit unterbrechen können ohne dass er zu tief fällt. Nur dann werden sich noch mehr Menschen weiterbilden. Die Sozialdemokratie muss sich dafür einsetzen, dass der Staat sich um die Zukunft seiner Bürger kümmert und dies nicht dem Privatwesen überlassen.

Soziale Absicherung muss sich immer an den Armen orientieren. Es geht darum, dass der wenig hat immernoch genug hat um zu überleben und teilzuhaben. Bei künftigen Rentenkonzepten braucht es nicht darum gehen, dass das monatliche Einkommen ausreicht, dass Bonzen weiter einen bonzigen Lebensstil haben können. Eine künftige Rente muss für den Armen hoch genug sein. Reiche können sich immer irgendwie selbst versorgen.

Ganz wichtig: Nur wer viel hat, kann sich Rücklagen anlegen. Aus Vermögen lässt sich nur mehr Vermögen erzielen, wenn man das Geld nicht direkt benötigt. Ein Armer ist nicht zu blöd sich Aktien zu kaufen. Er kann es sich schlicht nicht leisten. Armut bedeutet, dass wenn du dir eine neuen Waschmaschine kaufst, du für sehr lange Zeit kein Geld für einen neuen Fernseher, ein Auto, etc. haben wirst. Soziale Absicherung muss sich an der unteren Hälfte der Gesellschaft orientieren, nicht an der oberen.

Freitag, 17. November 2017

Eigenverantwortlichkeit - Ein Konzept ohne Spielräume

Ausführbarkeit, Schädigungsfreiheit, Beeinträchtigungsfreiheit und Persönlichkeits-/Gesundheitsförderlichkeit. Unter diesen 4 Schlagworten kann man die Anforderungen einer humanistischen Arbeitsgestaltung zusammenfassen. Konkret geht es darum, dass ein Arbeitsauftrag überhaupt schaffbar ist, dabei weder körperlich noch psychisch Schaden beim Ausführenden anrichtet und am besten noch dazu führt, dass die Personen etwas lernen kann. Um diese 4 Kriterien zu erfüllen muss aus psychologischer Sicht einiges bei einer Stelle vorhanden sein, insbesondere Freiräume und Ressourcen. Eigenverantwortlichkeit ist ein Schlagwort, dass auf den ersten Blick impliziert, dass es einer Person Freiräume ermöglicht. Da Freiräume zur psychischen Gesundheit beitragen, sollte man also folglich Eigenverantwortlichkeit als Psychologe befürworten?

Nicht unbedingt. Eigenveranwortlichkeit im moderenen Arbeitsalltag ist nämlich häufig wenig mit Freiräumen verbunden, sondern stattdessen tatsächlich eher mit einer Einschränkung der Spielräume verbunden. Eine eigenverantwortliche Tätigkeit umfasst im Normalfall, dass ein bestimmtes Ziel, eine bestimmte Tätigkeit übertragen wird, die der Einzelne auf seine eigene Art und Weise umsetzen kann, ohne dabei zu stark von einem Vorgesetzten eingeschränkt zu werden. Grundsätzlich wäre Eigenveranwortlichkeit also tatsächlich sehr förderlich und gesundheitserhaltend für einene Menschen, da sie impliziert, dass man sich aus der fremdgesteuerten Sklaverei befreit und "sein eigener Chef" sein kann.

Ist nur leider nicht so. Damit eine eigenveranwortliche Tätigkeit gesundheitsförderlich sein kann muss sie Handlungspielräume UND zeitliche Spielräume umfassen. In der Praxis ist aufgrund zeitlicher Verdichtungen und Wachstumsdruck zumeist wenig zeitlicher Spielraum vorhanden. Übrig bleibt der Handlungsspielraum. Der Handlungsspielraum ist aber wiederum vom zeitlichen Spielraum abhängig. Wenn ich eigenverwortlich ein bestimmtes Ziel in einer sehr begrenzten Zeit verrichten muss, habe ich eben NICHT die Möglichkeit mir auszusuchen WIE ich die Tätigkeit umsetze, sondern ich bin dazu verdammt die Strategie zu wählen, die es am ehesten noch ermöglicht in der begrenzten Zeit zum Erfolg zu führen. Diese Strategien sind zumeist nicht die Strategien, die persönlichkeitsfördernd oder gesundheitsfördernd sind, sondern schlicht auf Effizienz ausgerichtet sind. Bei einer komplett auf Effizienz ausgerichteten Tätigkeitsregulation bleibt wenig Platz für soziale Kontake, Ressourcenaufbau oder auch nur Erholungszeiträumen.

Das Problem an der Eigenverantwortlichkeit ist also, dass man eigenverantwortlich, d.h. SELBST die Strategie wählt, die einen am meisten ausbeutet. Freumdgesteuerte Sklaverei wird durch eigenindizierte Sklaverei ersetzt. In einem solchen Fall kann man dann nicht mehr auf den Chef schimpfen, der einem unmögliche Methoden zumutet. An die Stelle der Attribution auf den Chef tritt die Attribution auf das eigene Selbst - man selbst ist der Versager, der die eigenverwantwortliche Tätigkeit nicht gut genug ausüben kann. Zerstört wird hier also direkt das eigene Selbstbewusstsein. Folgen sind Depressionen und Ängste.

Eigenverantwortlichkeit kann nur dann gut für den Menschen sein, wenn er SELBST über die MENGE und ZEIT bestimmten kann. Nur dann kann er auch SELBST über die METHODE entscheiden. Zusammengefasst muss in der modernen Arbeitswelt also darauf geachtet werden, dass das schöne Konzept der Selbstverantwortung nicht zur Selbstversklavung mit oben genannten Folgen wird. Wie kann das geschehen? Schritt 1 ist Widerstand. Widerstand gegen eine Verdichtung der eigenen Aufträge. Es darf nicht zu viel angenommen werden und es muss dafür gesorgt werden, dass auch weniger Aufträge angemessen entlohnt werden. Eine große Chance birgt die Digitalisierung, da durch den Einsatz modernen Informationstechnik eine Zeitersparnis erzielt werden kann, die in der Folge dann als zeitlicher Spielraum zur Verfügung steht. Wichtig: Die freigewordene Zeit darf dann nicht durch neue Aufträge gefüllt werden. Letztlich hängt es auch am Arbeitnehmer selbst: Man muss auch nein sagen können. Man muss sich selbst zugestehen, dass man die Zeit braucht.